500 Jahre Bordesholmer Altar

Ein einzigartiges Zeugnis der Schnitzkunst

Mit seinen 392 individuell geschnitzten Figuren und seinen filigranen Architekturdetails zählt das von dem Bildschnitzer Hans Brüggemann in den Jahren 1514 bis 1521 geschaffene Altarretabel – der Bordesholmer Altar – zu den herausragenden Kunstwerken des Landes.

Fast 13 Meter hoch, wie eine stattliche alte Eiche, erzählt der Altar die christliche Heilsgeschichte von den ersten Menschen bis zum Jüngsten Gericht. Brüggemann arbeitete sieben Jahre an dem Altaraufsatz aus Eichenholz. In der Gestaltung der Szenen hat  sich der Künstler zum Teil durch Holzschnitte Albrecht Dürers, der „Kleinen Passion“, inspirieren lassen.

Der Altar ist in seiner geistlichen Aussagekraft und künstlerischen Vollendung ohne Parallele im norddeutschen Raum und gilt als eines der bedeutendsten Werke der Holzschnitzkunst im Übergang von der Gotik zur Renaissance.

Sehen, staunen, spüren: Wir feierten das Jubiläum

Vor 500 Jahren vollendete Hans Brüggemann den Bordesholmer Altar. Die Klosterkirchengemeinde Bordesholm, der Kulturverein Bordesholmer Land e.V. und die Kirchengemeinde Schleswig feierten das Jubiläum dieses herausragenden Kunstwerks gemeinsam. Von Juli bis September 2021 wurde das Programm im Wesentlichen in Bordesholm gestaltet, ab September 2021 bis zum Frühjahr 2022 verlagerte sich dann der Schwerpunkt nach Schleswig.

Flyer 500 Jahre Bordesholmer Altar 2021-2022

Die Ausstellung endete Pfingsten 2022

Tagung zum Altar

Im Rahmen einer interdisziplinären Tagung anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Vollendung des Bordesholmer Altars widmeten sich die Vorträge Fragen, die bis heute Rätsel aufwerfen. So würdigte die Tagung die herausragende Bedeutung des Altars und stellt ihn in einen größeren historischen, kirchengeschichtlichen und theologischen Zusammenhang. Auch die künstlerische Herkunft Brüggemanns, sein weiteres Schaffen sowie Fragen zur Restaurierung und zu Besonderheiten des Bordesholmer Retabels wurden diskutiert.

Die wissenschaftliche Tagung war eine gemeinsame Veranstaltung des Historischen Seminars der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, des Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) in Schleswig und der Kirchengemeinde Schleswig.

1
Die Veranstalter und Veranstalterinnen der Tagung zum Bordesholmer Alter diskutieren vor dem Altarretabel im Schleswiger Dom.© Antje Wendt/Nordkirche



Die Tagung fand im September 2021 statt.

Tagungsprogramm

Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf

Interview mit Prof. Dr. Oliver Auge

 

Großartiger Schmuck für eine Grablege

Das Altarretabel wurde ursprünglich für die Chorherrenkirche des Augustiner-Stifts in Bordesholm gefertigt. Sein Stifter war der Gottorfer Herzog von Schleswig und Holstein und spätere König Friedrich I. von Dänemark. Er gab das Werk nach dem Tod seiner ersten Frau, Anna von Brandenburg, in Auftrag.

Friedrich war im Augustiner-Stift Bordesholm aufgewachsen und schätzte die Frömmigkeit der dortigen Mönchsgemeinschaft. Er hatte die Klosterkirche mit neuem Chorgestühl ausgestattet und sie als Grablege für seine Familie ausersehen. In der Bordesholmer Kirche legt heute noch die Bronzetumba für Anna von Brandenburg Zeugnis davon ab.

Ein Werk erinnert an seinen Stifter

Tatsächlich wurde Friedrich I. nie in Bordesholm zur Ruhe gebettet. Seine Grablege befindet sich in der Fürstengruft des Schleswiger Doms, auf der Nordseite der Chorapsis.

Durch die Reformation und die spätere Auflösung der Bordesholmer Gelehrtenschule wurde die Klosterkirche nicht mehr genutzt. Deshalb ließ Friedrichs Nachfahre Herzog Christian Albrecht das Retabel im Jahr 1666 in den Schleswiger Dom bringen.

 

Im Übergang von der Gotik zur Renaissance

Der Bordesholmer Altar ist nicht nur aufgrund seiner Größe und der Vielzahl seiner Figuren bemerkenswert. Für die damaligen Betrachterinnen und Betrachter war es ein neues Seherlebnis, dass die Figuren nicht, wie sonst üblich, farbig gefasst waren.

Pontius Pilatus führt den gegeißelten Christus vor die Menschenmenge und sagt: "Sehet, welch ein Mensch!"
Pontius Pilatus führt den gegeißelten Christus vor die Menschenmenge und sagt: "Sehet, welch ein Mensch!"© Antje Wendt/Nordkirche

Außerdem hat Brüggemann seine Figuren in der Mode seiner Zeit gekleidet dargestellt – ein Kunstgriff, der die Leidensgeschichte zeigt, als ob sie unmittelbar vor den Augen der Betrachter geschieht.

Der Aufbau des Altares verweist noch in die Gotik – mit einer reichen wuchernden Ornamentik und einer Himmelwärts strebenden Grundstruktur. Doch in seiner lebensnahen Darstellung der Körper und Gestik und dem Interagieren der Figuren ist er bereits der Renaissance verpflichtet.

Mehr als eine Geschichte

Der Bordesholmer Altar zeigt in zwölf Einzelszenen und zwei zentralen Hauptszenen die Passionsgeschichte Christi, angefangen links außen mit dem Verrat Christi durch den Judaskuss bis rechs unten die Geschichte vom ungläubigen Thomas.

Blick in eine Szenennische im Bordesholmer Altar: Die geschnitzten Figuren zeigen die Geschiche vom ungläubigen Thomas
Eine Szene im Bordesholmer Altar: Die Geschichte vom ungläubigen Thomas© Antje Wendt/Nordkirche

Im der Mitte sind die Kreuztragung (unten) und die Kreuzigung dargestellt. Zwei zusätzliche Szenen zeigen links oben die Himmelfahrt und rechts oben das Pfingstfest.

Von Adam und Eva bis zur Maria mit Kind:
Himmel und Erde in einem Meisterwerk

Neben den Szenen in den Nischen gibt es noch viele weitere Figuren oberhalb davon, im sogenannten Gesprenge. Dort sind links und rechts Adam und Eva und oben in der Mitte Christus als Weltherrscher, auf einer Weltkugel sitzend, zu entdecken. Auf Säulchen sind Engel mit den Marterwerkzeugen zu finden. Maria mit dem Kind auf dem Arm nimmt einen besonderen Platz ein: Sie steht oberhalb der Kreuzigungsszene auf einer Art Baldachin, als ob sie das Geschehen aus der Ferne beobachtet. Bemerkenswert ist noch, dass auch Gottvater von Hans Brüggemann dargestellt wurde. Er erscheint in einem Strahlenkranz oberhalb des zentralen Kreuzes.

Ganz unten sind insgesamt vier Szenen von biblischen Tischgemeinschaften dargestellt. Die zweite von links zeigt beispielsweise das letzte Abendmahl. Diese Szenen verweisen auf die Hostie, die ursprünglich in der mittleren vergitterten Nische aufbewahrt wurde. Heute steht dort die Figur eines geschnitzten Christkindes.